Zeit:
Mittwoch, 5. Juni 2024,
10.30
bis 13 Uhr
Ort: Berlin, Paul-Löbe-Haus, Sitzungssaal E.800
An der von der Bundesregierung geplanten Umsetzung der überarbeiteten Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU (RED III) besteht Nachbesserungsbedarf. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz und Energie am Mittwoch, 5. Juni 2024, zum Gesetzentwurf „zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze und zur Änderung des Bundesbedarfsplangesetzes“ (20/11226) deutlich.
Um das Ziel einer Steigerung des Anteils von Energie aus erneuerbaren Quellen in der EU auf mindestens 42,5 Prozent bis zum Jahr 2030 zu erreichen, sind in der Richtlinie Maßnahmen enthalten, die beschleunigte Genehmigungsverfahren für Projekte im Bereich erneuerbarer Energien ermöglichen sollen. So sollen durch die Mitgliedstaaten Beschleunigungsgebiete für erneuerbare Energien ausgewiesen werden, in denen Vorhaben in einem vereinfachten Verfahren genehmigt werden. Auch außerhalb von Beschleunigungsgebieten sollen die Genehmigungsverfahren angepasst werden. Zudem sollen Mitgliedstaaten Infrastrukturgebiete ausweisen, um auch hier zu vereinfachten und beschleunigten Verfahren zu gelangen.
Experten betonen Bedeutung des Netzanschlusses
Ob Offshore-Windenergieparks durch die Regelungen künftig schneller ans Netz gehen können, wird allerdings von Vertretern der Windenergie-Branche in Zweifel gezogen. Kristin Blasche vom Windparkbetreiber Orsted Germany GmbH geht davon aus, „dass die Gesetzesänderung nicht zu einer Beschleunigung des Ausbaus der Offshore Windenergie führen würde“. Es gebe derzeit keine Verzögerungen bei der Projektrealisierung durch Genehmigungsverfahren. Entscheidend für die Projektrealisierung sei das Vorhandensein des Netzanschlusses.
Auch Stefan Thimm, Geschäftsführer beim Bundesverband der Windenergie Offshore (BWO), sieht keine Beschleunigungswirkung in dem geplanten Verzicht auf die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) innerhalb der auszuweisenden Beschleunigungsgebiete. Die UVP sei in der Genehmigungspraxis etabliert, trage wesentlich zur Erhöhung der Akzeptanz des Offshore-Windpark-Ausbaus bei und habe in der Vergangenheit zur Rechts- und Investitionssicherheit der Offshore-Projekte beigetragen, sagte er. Ebenso wie Blasche forderte Thimm, eine „Kann-Bestimmung“ einzuführen, damit Unternehmen weiterhin die Möglichkeit haben, eine UVP durchzuführen und in das Genehmigungsverfahren einzubringen.
Aus Sicht von Urs Wahl, Senior Manager Politik und Regierungsangelegenheiten bei der EnBW Energie Baden-Württemberg AG, wird eine beschleunigte Inbetriebnahme der Offshore-Windparks mit dem Gesetzentwurf nicht erreicht. Alles hänge am Netzanschluss, egal wie das Verfahren vorher gestaltet werde, sagte er. Die Abschaffung der UVP spiele hingegen keine Rolle. Wahl regte an, zu den Infrastrukturgebieten auch eine Beschleunigung für den Ausbau und Neubau von Pumpspeicherkraftwerken in Betracht zu ziehen.
Einheitliches System für Bund und Bundesländer
Tetiana Chuvilina, Leiterin Politik beim Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO GmbH, forderte „Nachschärfungen“, um die gewünschten Beschleunigungseffekte zu erzielen. Wenn die Länder einzeln über die Einführung von Infrastrukturgebieten entscheiden dürfen, schwäche dies die Beschleunigungseffekte der RED III. Es sei zielführend, so Chuvilina, ein einheitliches System für Bund und alle Bundesländer per Gesetz zu etablieren, da sonst ein Flickenteppich drohe. Bleibe man bei der Einzelentscheidung müsse der jeweiligen Behörde eine einmonatige Frist zur Entscheidung für oder gegen eine Infrastrukturgebietsausweisung gesetzt werden, verlangte sie.
Hinter diese Forderung stellte sich auch Guido Hermeier, Leiter Recht Netzinfrastruktur, Naturschutzfachliche Kompensation und Leitungsrechte beim Übertragungsnetzbetreiber Amprion GmbH. Er forderte zugleich, Erleichterungen im Gebiets- und Artenschutz nicht nur auf die Zulassungsphase, sondern auch vollständig auf die Umsetzungsphase des Vorhabens zu erstrecken, was laut Unionsrecht möglich sei. Außerdem müsse sichergestellt sein, dass bei Mitnahmen von 110 kV-Anlagen oder der nachträglichen Einbeziehung von Nebenanlagen auf das Gesamtvorhaben „die umweltfachlichen Erleichterungen ebenfalls greifen“.
Beschränkung der Artenschutzprüfung
Die geplanten Privilegien sollten auch aus Sicht von Bastian Olzem, Geschäftsbereichsleiter Erzeugung und Systemintegration beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), auf die 110 kV-Ebene ausgeweitet werden. „Wir könnten so den Beschleunigungseffekt aus dem Übertragungsnetz auf die nächste Stufe ausweiten“, sagte er. Die Artenschutzprüfung müsse auf die streng geschützten Arten beschränkt bleiben. Auf eine Erweiterung des Artenspektrums müsse verzichtet werden, so Olzem. Mit Blick auf die UVP bewertete er eine „Kann-Regelung“ besser als den obligatorischen Wegfall.
Für Felix Schmidt, Policy Advisor Climate and Energy beim WWF Deutschland, schießt die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf über das Ziel hinaus. Die Umsetzung der RED III dürfe nicht zu einer Absenkung der Umweltstandards führen, betonte er. Schmidt forderte Anpassungen, „um Schutzstandards und Rechtssicherheit zu verbessern“. Die UVP sowie die artenschutzrechtliche Prüfung müssten erhalten bleiben. Zudem müsse das Volumen von Beschleunigungsgebieten eingegrenzt werden, „indem sie an zentral voruntersuchten Flächen angeknüpft werden und sensible Gebiete ausschließen“.
Preisbasierte Vergabeverfahren
Henning Vöpel, Vorstand beim Centrum für Europäische Politik, bewertete den Gesetzentwurf als grundsätzlich geeignet, die Vorgaben der RED-III-Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen. Er schlug zugleich vor, das rein preisbasierte Vergabeverfahren künftig auf sämtliche Ausschreibungen von Flächen für Offshore-Windkraft anzuwenden, um Einnahmepotenziale zu erhöhen und so die positiven Effekte auf Netzausbau und Kostenentlastung zu verstärken.
Außerdem regte er eine Prüfung der Erdleitungspriorität im Netzausbau aus der Perspektive der Systemkosten an. Die deutlich niedrigeren Kosten einer Freileitung im Vergleich zur Erdleitung würden sich in den Netzentgelten und damit in der Kostenbelastung von Wirtschaft und Verbrauchern bemerkbar machen.
Erdverkabelung und Leistungsdichte
Eva Bode von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände sprach sich hingegen dafür aus, am Erdkabelvorrang festzuhalten. Die Energiewende könne nur gelingen, „wenn dort, wo der Ausbau stattfindet, er auf breite Akzeptanz stößt“, sagte Bode. Erdkabel stellten in der Regel einen geringeren Eingriff in das Lebensumfeld der Betroffenen dar.
Der Physiker Dieter Böhme zog die Leistungsstärke der Windkraft in Zweifel. Windräder hätten nur eine mittlere Leistungsdichte von etwa 40 bis 100 Watt pro Quadratmeter Rotorfläche, „was der Leistung klassischer Glühlampen entspricht, ohne dass man den Strom groß technisch speichern kann“. Angesichts dieser Leistungsdichte seien Milliarden Quadratmeter Rotorfläche für eine Energiewende nötig. „Deutschland und seine Küsten würden in einen einzigen Wald von Windrädern verwandelt“, sagte Böhme. (hau/05.06.2024)